In vorderster Front stand für uns ja das Problem, das wir gar nichts von der umfangreichen Mobbingproblematik unseres Kindes wussten. „Aufgeflogen“ ist das Ganze durch den Einsatz einer Klassenkameradin. Auch diese ist ein Opfer von massivem Mobbing. In verbaler Form. In furchtbarer verbaler Form. Aber das Mädchen vertraute sich der Mutter an. Sowohl über ihre eigenen Sorgen. Als auch über die, die sie sich um unseren Sohn machte. Die Mutter tat das einzig Richtige und informierte uns.

Unseren 13- Jährigen zum Reden zu bringen war gar nicht so einfach. Erst der Verstoß  über ein Mobbingtagebuch brachte hier Hilfe. Er vermerkte jeden Tag und zeigte uns die Einträge dann auch. Lesen lassen war vermutlich einfacher, als zu erzählen. Dem folgten ein erstes Gespräch mit der Lehrerin der Klasse. Die fiel förmlich aus allen Wolken. Das die besagte Schülerin Probleme habe, sei ihr bekannt gewesen. Von noch mehr Opfern innerhalb der Klasse war ihr nichts bekannt. Ohne hier wilde Unterstellungen zu liefern… entstand doch hier das erste Mal der Verdacht, das die umfangreiche Mobbing- Problematik hier systematisch ignoriert, wenn nicht gar vertuscht wird.

Nur Tage vorher erhielt unser Kind im laufenden Unterricht eine Nackenschelle. Heißt, einen kräftigen Schlag mit der flachen Hand in den Nacken. Es waren gerade die Zeit der ersten kräftigen Sonnenstrahlen und unser hellhäutiger Sprössling hatte heftigen Sonnenbrand im Nacken. Dieser Schlag war keine freundschaftliche Geste. Auch kein Spass. Das sollte wehtun! Im laufenden Unterricht. Vor den Augen einer Lehrerin. Diese strebte einen Lehrerverweis an. Passiert ist nicht. Bekannt war nichts. Laut Klassenlehrerin zumindest.

Auf das Gespräch hin, blieb ihr nichts weiter übrig, als zu handeln. Es gab eine Info an den Schulleiter. Dieser holte sich am selben Tag noch die Hauptmobber zum Gespräch. Das klingt erstmal sehr positiv. War es aber nicht. Denn direkt danach versandeten sämtliche Bemühungen. Das Mobbing setzte sich ungehemmt fort. Verbal wie körperlich. Auf einen weiteren Verstoß  wurde ein Gruppengespräch organisiert . Nicht etwas eins der betroffenen Kinder. Nein, eines der Eltern. Wie erwartet brachte diese Runde nicht wirklich Fortschritte. Die Eltern der Chefmobber fühlten sich erwartungsgemäss angegriffen  und verbarrikadierten sich hinter Aussagen wie: „mein Kind tut das nicht“ oder schlimmer „ ja, wer so durch das Schulhaus läuft, der verdient es nicht anders.“ Andere Eltern wussten von nichts, entsprechend verhalten waren die Rektionen. Entsetzlich war das Verhalten der Klassenlehrerin.  Herrschte im Einzelgespräch noch der Tenor „Ja, wir müssen etwas tun und wir werden etwas tun“ vor, verhielt sie sich im Gruppengespräch völlig passiv. Kaum Aktionen, kaum Einmischungen. Damit brachte dieses Gespräch für uns nur eines: Die Mutter des Klassenkameraden, der unser Kind täglich körperlich attackierte, versprach sich ihr Kind vorzunehmen. Sie wusste von nichts. Sie war aber auch die Einzige, die tatsächlich reagierte. Der entsprechende Schüler entschuldigte sich so halbwegs, schriftlich, mündlich fehlte vermutlich der Mut. Das macht aber nichts, auch dies ist ein akzeptabler Weg. Denn die körperlichen Angriffe seinerseits hörten sofort auf.

Für uns lies dieser mangelnde Erfolg nur eine abschliessende Äusserung zu: Jeder der unser Kind körperlich attackiert wird zukünftig, ohne Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten, mit einer Strafanzeige rechnen müssen. Und das gilt nicht nur für den Täter sondern auch für den Lehrer, der da wegsieht.

Unsere Älteste warnte ihre beste Freundin vor, da deren Bruder sich zunehmend am Mobbing mitbeteiligte. Sanktionen würden auch ihn treffen. Auch er stellte sein Mitmachen ein.

Am Freitag derselben Woche eskalierte die Situation, wieder im Sportunterricht. Ein Mitschüler ging körperlich auf unseren Sohn los. Trat ihn, mit Schuhen, gegen den Kopf, in den Nacken. Zwei Mitschülerinnen griffen diesmal ein, schlussendlich auch die Lehrerin. Beinahe höhnisch kam jedoch die Reaktion des Direktors rüber: die Eltern des „Täters“ wurden umgehend informiert. Kein Ton  zu uns!

Wir entschieden uns für einen Besuch beim Kinderarzt und anschließend einer Polizeiwache. Das Mobbing interessierte auch hier keinen. Lediglich die Körperverletzung konnte beanzeigt werden. Wurde sie auch.

Per schriftlicher Erklärung informierten wir die Schule (Direktor und Klassenlehrerin) über diese Entscheidung. Daraufhin folgte ein Anruf des Rektors, indem er oberflächlich betrachtet Hilfe versprach, das Ganze dennoch herunterspielte. Das seien Teenager, die haben eine harte Ansprache untereinander und nur weil unser Sohn nicht dazu gehört, würde er dies persönlich nehmen. Ich weiß nicht, wie andere leben. Gehe ich von mir aus, meine Freundin betituliert mich nicht mit Kanake oder ähnlichem. Und würde sie es tun, wäre sie die längste Zeit meine Freundin gewesen.

Die folgenden Wochen brachten klasseninterne Gespräche, mit dem Sozialarbeiter. Von dem hätte ich persönlich auch mehr erwartet. Denn es lief auf die Vereinbarung hinaus: „Benimmst du dich anderes, hören wir auf dich zu mobben.“

Leute, wo Leben wir denn hier! Man ist rechtlich gezwungen seine Kinder in erzieherische Hände zu geben, denen das wohl der Kinder völlig egal ist. Die einfach nur den einfachsten Weg, den des geringsten Widerstandes gehen, um ihren Allerwertesten an die Wand zu bekommen.

Wer in solchen Situationen auf Hilfe hofft, wird leider enttäuscht werden. Wenn sich etwas bewegt, dann nur mit Druck. Massivem Druck!

Uns oder vielmehr unser Kind erlösten (vorerst) die Sommerferien. Die brachten für unseren Grossen ein bisschen Ruhe. Körperlich, wie auch emotional. Tatsächlich auch ein bisschen Entspannung. Und Schlaf. Denn das nicht- schlafen- können ist ein massives Problem. Und wir fanden, dank Unterstützung der betroffenen Schülerin, eine Psychologin, mit der auch unser Grosser reden kann. Und sei es nur um den ganzen Ballast einfach einmal rauszulassen.

Der Beginn des neuen Schuljahres war ein bisschen eine Zitterpartie. Wie wird sich die Klasse verhalten? Wie die Klassenlehrerin? Wie die Sportlehrerin… die ja nun die Klassenlehrerin unseres „besonderen Kindes“ ist? Wie werden die Mitschüler auf die erfolgte Anzeige und die damit einhergehenden Vorladungen umgehen? Alles schwierig. Doch entgegen aller Erwartungen: Für den Moment ist es ruhig. Ein paar verbale Aussetzer. Aber keinerlei körperliche Angriffe mehr. Auch das Bekanntwerden der Beanzeigung, brachte nicht den erwartenden Aufruhr. Hoffen wir das es so bleibt. Für unseren Ältesten steht nun persönliche und emotionale Aufarbeitung oder zumindest die Schadensbegrenzung an.

Das Karate- Training bei besagtem Sozialarbeiter der Schule hat er eigenverantwortlich und ohne Reue abgebrochen. Er trainiert jetzt jede Woche in unserem heimischen Sportverein. Auch hier Karate und mit wesentlich mehr Spass.