Ich weiß, eine etwas reißerische Titelwahl. Aber ein Riesenthema. Bei unserem letzten Familienfest kam von der einen Seite der Familie – mit einem verschämten Blick auf einen Teil der anderen familiären Seite – die geflüsterte Frage: „Kinder haben die wohl keine?“
Eine unleidliche Debatte. Als ob man nur mit den Kindern vollständig wäre. Um Streit zu vermeiden, habe ich hier gesellschaftkonform mit „bisher nicht“ geantwortet. Wieder besseren Wissens. Denn „hier“ ist es die Natur die sich quer stellt. Und so sehr man etwas anderes wünscht: es ist, wie es ist. Wenn auch offensichtlich ungewünscht, ist es für die Umwelt augenscheinlich ein Riesenthema. Selbstverständlich aber eines das man nur hinter vorgehaltener Hand oder direkt dem Rücken austauscht. Eine Art Tabu. Warum?
Gibt es irgendwo ein MUSS mich zu reproduzieren? Und dabei glücklich zu sein?
Stellt die Frage, die erste, nach der Reproduktion, einfach mal beim nächsten Familienfest.
Aus einer bunten lustigen Gesellschaft werden plötzlich zwei Lager, schwarz und weiss quasi, und zum Schluss bleiben nur zwei Meinungen: Kinder machen glücklich oder ohne Kinder lebt man besser. Selbstredend verteufeln oder wahlweise bemitleiden beide Seiten die jeweils andere. Mittelmass ist out.
Frage ich meine beiden Teenager, ob sie eine Familie planen, höre ich ein „Ja schon. Später.“ Hätte man mich als Teenager gefragt wäre die Antwort ein dickes „auf keinem Fall“ gewesen. Ich wollte nie Kinder. Ich kann mit Kindern nicht umgehen und die Kinder nicht mit mir. Mein Plan war klar: Keine Kinder. Jetzt habe ich vier. Wie das passiert ist? Und vor allem so schnell nach dem Kennenlernen meines späteren Gatten. Tja, lasst uns das neue Auto mal in die Garage fahren. So in etwa. Das erste Kind war nicht geplant. Hat aber den Grundstock gelegt. Und auch wenn nicht alle unsere Nachkommen geplant waren, sind es alles Wunschkinder, ungeplante aber Wunschkinder.
Macht uns das jetzt glücklicher, als andere ohne Kinder? Ist unser Leben deswegen erfüllter? Angefüllter auf jeden Fall. Ohne Kinder gehörte die Zeit nach dem Job mir. Meinen Hobbys, meinen Freunden. Mit Kindern diktieren sie nicht nur den Grossteil meiner Freizeitgestaltung, sondern auch grösstenteils meinen Freundeskreis. Früher – und früher bezeichnet hier die Zeit vor den Kindern – war der Freundeskreis groß und auch ziemlich illuster. Bekommt man dann plötzlich ein Kind, trennt sich die sprichwörtliche Spreu vom Weizen. Auch wenn man – zumindest zu anfangs – noch eingeladen wird, auf Partys oder zu spontanen Ausflügen, dividiert es sich hier doch auseinander. Man ist nicht mehr besonders spontan, wenn man den halben Hausrat mitnehmen muss. Der Kinderwagen passt nicht überall hin und das Kind schon gleich gar nicht. Zu laut, zu unwegig, zu gefährlich. Zu zu zu… Zu- gegeben, das ist eigentlich nur so, wenn man grade sein erstes Kind bekommen hat. Da ist man unsicher und verzichtet eher als auch nur ein eingebildetes Risiko einzugehen. Je mehr Kinder man bekommt, desto entspannter wird man dabei. Das gilt im Übrigen auch für die Kinder. Während man beim Erstgeborenen noch durchs Haus schlich, um den heiligen Schlaf nur ja nicht zu stören, hat das spätere Kind am besten beim Brummeln des Staubsaugers geschlafen. Das ändert aber auch nichts daran, dass lange Partynächte und spontane Ausflüge erstmal der Vergangenheit angehören.
Damit ist die Lage, für die ohne Kinder erstmal klar: Kinder ruinieren den Spaß, beeinträchtigen das Privatleben. Die, die sich -halbwegs bewusst – für Kinder entschieden haben, betrachten dieselbe Lage aus einem ganz anderen Blickwinkel: Klar verändern Kinder das Privatleben. Sie beenden eine freie, recht ungezügelte Zeit (oder stoppen sie zumindest temporär), aber im Gegenzug schaffen sie auch ganz neue Konstellationen. Eine andere Art Privatleben. Nicht zwingend schlechter.
Ja, mit Kindern besteht der Freundeskreis eher aus anderen Familien. Das ist aber nicht die Schuld unserer Kinder, im Gegenteil, da die sich mit anderen Kindern anfreunden, entstehen auch hier neue Konstellationen. Mit dem mehr oder weniger langsamen fortschreiten des eigenen Alters wählt man auch einfach gründlicher aus, mit wem man seine freie Zeit verbringen will. Man entwickelt sich weiter.
Dennoch sehe ich es eher umstritten, dass Kinder zwangsläufig glücklich machen. Statistisch betrachtet sind Eltern ab 40 wieder glücklicher. In unserm Fall stimmt das. Wir haben unserem Rhythmus, unseren Platz gefunden. Und – ein wahrscheinlich nicht unerheblicher Punkt – unsere Kinder sind inzwischen aus den Gröbsten raus. An dem Sprichwort „Kleine Kinder – kleine Sorgen. Grosse Kinder – grosse Sorgen“ ist durchaus was dran. Es ist ein Riesenunterschied ob ich versuche meinen Teenager aus seiner allumfassenden LMAA- Haltung zu holen, damit er noch rechtzeitig einen Praktikumsplatz an Land zieht oder einen Schnuller im Kinderwagen suchen muss.
Kinder können glücklich machen. Aber tun es nicht immer. Kinder bringen Vor- und Nachteile, über die man sich im Klaren sein sollte. Emotional, wie finanziell. Genauso aber auch ein Leben ohne Kinder. Mehr aber auch nicht!
Kinder machen mich nicht zu einem besseren Menschen. Nur allein durch Kinderkriegen leiste ich nicht etwas Besonderes für die Gesellschaft. Kinder sind keine Funktionen oder Statussymbole. Sie müssen meinem Leben keinen Sinn verschaffen, sie müssen mein Erbe nicht weitertragen und sie müssen mir auch nicht die Angst vor Einsamkeit oder gar dem Tod nehmen. Sie tun dies alles. Aber sie müssen das nicht. Ich habe kein Kind bekommen um mich besser, wertvoller oder überlegender zu fühlen. Im Umkehrschluss gibt es damit auch für Kinderlose keinerlei Grund sich schlecht zu fühlen oder gar zu rechtfertigen. Jede Lebensweise ist richtig. Gut.
Der Haken an der Sache ist natürlich, das diese Debatte nur was für Menschen ist, die den Luxus der Entscheidung haben. Wer ungewollt Eltern wird, mag sich die Freiheit der Kinderlosigkeit zurückwünschen. Wer ungeplant Kinderlos bleibt, wird vielleicht den Verlust spüren.
Das Familienfest aber ist gerettet, wenn alle unvereingenommen begreifen, das beide Seiten ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung haben. Und das niemandem ein Richtspruch über eine persönliche Entscheidung für oder gegen Kinder zusteht.