Glaubt man Friedrich Hebbel, dann ist „ein Maitag ein kategorischer Imperativ der Freude“. Wettertechnisch kann man das – zumindest an manchen Tagen – durchaus unterschreiben.

Jaa, ich weiss, ich bin mal wieder spät dran. Aber wie heisst es so schön… besser spät als nie. Also freut Euch Leute, hier bin ich. Oder hab ich mich jetzt mit der Vorfreude in der Jahreszeit geirrt? Seht es mir nach. Stress wohin man sieht und dann auch noch solcher, den man gar nicht merkt. Das ist anstrengend. Auch das nicht merken.

Aber jetzt… was hatte denn der Mai zu bieten… ausser Wetter. Gestartet sind wir ja direkt mit dem ersten – also unserem ersten – Besuch bei meinem Opa in der Pflegeeinrichtung. Ein sehr schönes Haus. Ich bin in diesem Örtchen aufgewachsen und kenne an der Stelle nur die Ruinen des alten Rittergutes. Anstelle dieser wurde das Pflegeheim gebaut. Zweigeschossig. In einer Art L- Form. Hell, freundlich, grosse Fenster, die einem- der erhöhten Position sei Dank- den Blick übers Dorf ermöglichen. Opa hat ein recht grosses Zimmer, die Aussenseite komplett verglast. Helle Möbel. Warme Farben. Sehr schön, wenn auch fast minimalistisch eingerichtet. Es wirkt dennoch nicht wie ein Krankenzimmer. Ein grosses, eigenes Bad. Sehr vorteilhaft hier, die grosse Schiebetür. Die Eingangstür steht nahezu immer offen. Man hat den Eindruck einer grossen Wohngemeinschaft. Als wir ankamen, war er in seinem Zimmer und holte sein Akkordeon. Ich hatte meine Oma, Kind 1 und Kind 3 dabei. Kind 3 erkannte er auf Anhieb. Auch bei mir wusste er, dass ich irgendwie zu ihm gehöre. Er nannte zögernd den Namen meiner Mutter, dem Ausdruck seines Gesichtes, seiner Augen nach, war ihm aber klar, dass ich nicht meine Mutter bin, aber in die Richtung gehöre. Kind 1 erkannte er nicht, fragte auch nach, wie alt sie denn sei. Eine augenscheinlich schwierige Situation. Er kämpfte mit den Tränen. „Manchmal da sind die Gedanken da, da weiss ich es und bevor ich es festhalten und klar sehen kann, ist es einfach weg. Wie gelöscht.“ Eine bittere Erkenntnis für einen so intelligenten Menschen. Auch alles andere als einfach für die Angehörigen. Ich werde dieses Thema, die unverständlich erscheinenden Reaktionen der zugehörigen Oma nochmal in einem eigenen Artikel aufarbeiten. Es wird hier zu lang. Zudem haben wir ja die eigene Artikelreihe zur Demenz. Was mir aber sehr sehr ans Herz ging und ich hier keinesfalls unterschlagen möchte… er hat sein Akkordeon gespielt. Mein Opa hat Akkordeon gespielt. Ich weiss das er es kann. Aber er hat das schon Jahrzehnte nicht mehr getan. Das letzte Mal, als ich ihn spielen hörte, war ich ein Kind. Ich habe noch zu Hause gewohnt und er hat in seinem Schlafzimmer, auf dem Bett sitzend, am offenen Fenster gespielt. Das wir es hören konnten. Sein Rücken, der Körper allgemein, damals schon gezeichnet von der jahrzehntelangen schweren Arbeit im Bergbau und der beginnenden Arthritis, konnten das schwere Schifferklavier (so nennt man das Akkordeon bei uns) nicht mehr halten und er daher nur im Sitzen spielen. Akkordeon ist toll. Es war nur eben schon gut 25 Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal spielen hörte. Und hier… in diesem Pflegeheim… voller Emotionen und Tränen in den Augen, spielte er „Ihr Kinderlein kommet“. Zwar in der falschen Jahreszeit, aber man konnte es deutlich erkennen. Wie wunderschön und traurig zugleich.

Körperlich erholt er sich (im Vergleich zu den letzten Tagen zuhause) erstaunlich gut. Was man von der Oma, der angeheirateten Familie nicht sagen kann. Ihr ist seit Monaten der Lebensmut abhanden gekommen, seit sie im Pflegeheim lebt, noch mehr. Ist es bei meinem Grossvater der Geist, der nicht mehr kann, ist es bei dieser Oma der Körper, während der Kopf noch weitestgehend klar ist. Wie man es dreht, keine angenehme und auch nicht wünschenswerte Situation.

Die Mottowoche von Kind 1 verlangte mir nähtechnisch betrachtet einiges ab. Mottowoche ist die letzte Woche mit regulärem Unterricht. Vor den Abschlussprüfungen. Die Kids legen Themen für jeden Tag fest und verkleiden sich entsprechend. Tag 1 (oben im Bild) war „Helden der Kindheit“. Da Kind 1 den langen Krankenhausaufenthalt während ihrer Leukämieerkrankung als kindheitsdominierend empfindet, war die Verkleidung als Ärztin naheliegend. Also wurde aus einem alten Bettlaken ein Arztkittel. Tag 2 lief unter dem Motto „Red Carpet“.

Hier habe ich mein Kleid einfach nur passend gemacht. Recht einfach also. Das letzte (Näh-) Motto war schlussendlich „Jahrzehnte“. Das Kind wünschte sich als Abschlusskleid ein Rockabillykleid und entschied sich eben auch für dieses Jahrzehnt in der Mottowoche. So konnte ich aus alter bettwäsche einen Proberock fürs Rockabillykleid machen. Fotos vom Abschlusskleid gibts extra noch.

Selbstverständlich wünschte sich Kind 4 ein ähnliches Kleid. Der Schnitt folgt auch dem eines Tellerrocks. Nur habe ich hier einzelne Bahnen genäht, damit die Form eines Blütenkelches entsteht. Sehr aufwendig, vor allem in der Zeit.

Die Konfirmation von Kind 2 brachte uns vor allem eines: eine Erkenntnis. Man kann es nicht allen recht machen. Bei der letzten Party wünschte der angeheiratete Teil der Familie nur alkoholische Getränke ohne Alkohol. Über den Sinn kann man jetzt streiten. Zu dieser Party war alles genauso da wie beim letzten Mal lautstark erwünscht. Nur wars dieses Mal unerwünscht. Öhm ja. Wir haben einfach beschlossen uns nicht mehr zu ärgern, sondern ab sofort einfach alles so zu machen, wie wir es wollen und uns vorstellen. Wems nicht passt, der kann ja gehen oder halt die Klappe halten. Schliesslich ist es unsere Party. Ja, die Erkenntnis kommt spät. Ich denke aber, dass Ihr wisst wie das ist. Familie und vor allem angeheiratete Familie… es ist nicht immer so einfach alles zu ignorieren und nur sich selbst treu zu sein. Manchmal macht man Kompromisse und manchmal ist das gut, manchmal gehts aber auch in die Hose. Kompromisse sind okay, nur an der Stelle war es falsch. Punkt um. Der Tag an sich war dennoch ein Highlight. Dem Grossen hat es super gut gefallen. Er sah toll aus. So erwachsen. *schnief Solche Tage haben ja immer ein bisschen etwas von dem Spruch „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“.

Sind die Grossereignisse überstanden kehrt der Alltag ein. Im Falle von Kind 2 direkt mit dem ersten zweiwöchtigen Schulpraktikum und einer ganz erstaunlichen Wandlung. Kind 2 ist ja der so der komm- ich- heut- nicht- komm- ich- vielleicht- morgen- Typ. Zwei Bewerbungen fürs Praktikum hat er abgegeben. Nachgehakt erst in der Woche vor dem Praktikum und auch nur weil wir ihn quasi permanent dazu ermahnt haben. Fazit: Absagen. Nun war guter Rat teuer. Also war ich so nett, ihm ein paar Telefonnummern rauszusuchen, die er hätte nur anrufen brauchen. Hat ers getan? Dreimal dürft Ihr raten. Im Endeffekt hat er angerufen, während ich daneben sass. Nicht sehr angenehm. Weder für ihn, noch für mich. Aber er bekam einen Praktikumsplatz. Yeah. Im hiesigen Seniorenheim.

Absolut nichts wo er hinwollte. Dachte er. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Brauchte er nicht, denn das Praktikum hat ihm sowas von Spass gemacht! Die Leutchen liebten ihn und er mochte es total sie zu betreuen. Sie von a nach b zu bringen, beim Essen zu helfen, sie zu beschäftigen. Wenn ich alles gedacht hätte… Ein Platz an dem er durchaus richtig sein könnte. Und zum ersten Mal zeigte er tatsächlich Eigeninitiative und sicherte sich direkt seinen Platz für den Genial Sozial Tag. Super oder es geschehen halt doch noch Zeichen und Wunder. 🙂

Für Kind 1 begann die heisse Phase der Abschlussprüfungen. Kind 3 ist inzwischen in der neuen Schule angekommen, hat Freunde und Spass an der Schule. Es ist alles in allem deutlich ruhiger geworden. Auch wenn Kind 4 im Schreiben ähnliche Fehler und Aussetzer zeigt wie Kind 3. Das werden wir beobachten müssen.

Der Männertag stellte uns vor eine Herausforderung. Oder zumindest unseren „Mann“. Da wir selten Alkohol konsumieren, in grösseren Mengen schon gar nicht, war die Party mit Freunden nicht nur schön, lustig, lang, voller guter Musik und Lachen, sondern auch mit dem ein oder anderen Drink gespickt und endete damit recht unwürdig auf der Couch. 🙂 Wir sind halt keine 25 mehr…

Der Hase arbeitet jetzt auch am Wochenende. Im Sinne von Bereitschaftsdienst. Der erste Samstag beehrte uns direkt mit einem Notruf, kaum das wir vor unserer Schwimmhalle angekommen waren und lotste ihn auch abends, 19 Uhr noch einmal nach Leipzig. Ce la vie. Nun schauen wir, wie es im Juni wird. Denn gerade an den beiden anstehenden grösseren Festen( 60. Geburtstag meiner Mama und der Schulanfang meines Patenkindes im August) hat der Hase Bereitschaftsdienst. Nicht zu ändern. Es wird sich eine Lösung finden. Ein sinnvoller Kompromiss. Hoffe ich.

In diesem Sinne… machts Euch hübsch.

Eure Sanny ♥