Meine Herzen,

nun ist es soweit. Die Ausgangssperre holt uns ein. Richtig, richtig, es ist eigentlich nur eine Ausgangsbeschränkung… aber eben ist es eine. Ich hätte nie, niemals gedacht, dass es eines Tages soweit kommen würde. Das wir nicht mehr dahin gehen dürfen, wohin wir wollen. Wir nicht mehr treffen dürfen, wen wir wollen oder eher überhaupt niemanden mehr treffen dürfen.

Einkaufen fühlt sich seltsam an. Deswegen beschränke ich es- auch bei einem 6 Personenhaushalt- auf zweimal pro Woche. Und auch das ist merkwürdig. Man fühlt sich unsicher, wie ein Verbrecher, weil man „draussen“ herum rennt. Ich habe mir angewöhnt morgens einkaufen zu gehen. Keine langen Wartenzeiten auf einen Einkaufswagen. Keine vollen Geschäfte. Wenig Kundenverkehr.

Was aber auffällig ist… abgesehen davon, dass es immer noch kein Klopapier gibt… in den Geschäften, auf den Strassen bewegen sich überwiegend „alte“ Leute. Die Risikogruppe ist gar nicht bereit das Risiko auch zu sehen. Meine Grossmutter ist das beste Beispiel. Mein Paps ruft mich an, er und Oma kämen vorbei. Der Friedhof müsste bepflanzt werden. Bitte was? Der Friedhof muss gar nichts. Oma ist nicht abzubringen. Zumindest mein Vater kann sich nicht gegen sie durchsetzen. Nicht, seit der Opa seit letztem Jahr im Pflegeheim ist. Dabei war das richtig und der Schritt kam eigentlich viel zu spät. Die Oma baut entsprechend ab und als einziges Kind dabei zuzusehen… nicht leicht. Also habe ich Oma angerufen. Und auch hier, es ist ihr nicht einmal bewusst. Weder das die ganze Welt betroffen ist, noch das es mehr sein kann als „ein bissel Husten“. Erst als ich „drastisch“ geworden bin und ihr ein Szenario vorzeigte, in dem sie von uns angesteckt wurde und wir auf ewig mit dieser „Ansteckung“ umgehen müssen, liess sie sich überzeugen und versprach mir schlussendlich auch das Einkaufen meinem Vater zu überlassen. Ich werde erfahren, wie lange dieses Versprechen gegolten hat.

Schultechnisch läuft es sich ein. Jeder Wochentag ist ein Schultag. Die Kinder pendeln zwischen der Erledigung ihrer Schulaufgaben und dem Lernen via Sofatutor. Bzw die Schulen der beiden Jüngsten haben die Anton- App für sich entdeckt und nutzen diese Klassenweise. Wir kannten die im Vorfeld schon und auch unsere Kinder nutzen diese vom Lehrer vorgegebenen Aufgaben nun.

Die Stimmung ist im Grossen okay. Erstaunlich wenig Streit. Auch wenn die Kids irgendwie nicht miteinader reden können, ohne sich anzubrüllen. Warum ist das nur so?

Die Frage nach den Freunden kommt gelegentlich, aber doch seltener als ich befürchtet hatte. Zumindest bei den Grossen. Generation Handy hat natürlich auch andere Wege in Kontakt zu bleiben. Der Kleinen fehlen ihre Freunde schon. Die Videochats oder das gelegentliche Winken beim Vorbeigehen reichen bei weitem nicht aus. Also haben wir angefangen Briefe zu schreiben. Für ihre beiden liebsten Freundinnen. Dazu haben wir aus Giesharz kleine Schlüsselanhänger gebastelt. Sobald diese ausgehärtet sind, kommen sie mit in den Umschlag. Der Eine kommt dann zur Post (die Freundin wohnt in einem anderen Ortsteil) und den anderen Brief werden wir persönlich (in den Briefkasten) zustellen.

Im Grunde… wenn es so gut läuft wie gerade… könnte man ja direkt den Gedanken kriegen, dass diese ganze Krise ja doch auch irgendwie ein Geschenk ist. Ich kann mich an keine Zeit meiner Kinderheit erinnern, in der meine Eltern soviel Zeit mit uns verbracht hätten…

Dieses neugewonnene Krisenverständnis bezieht sich auch auf unser Essverhalten. Ich habe nicht gehamstert. Ich muss halt für 6 Leute einkaufen. Wir haben immer versucht gut zu wirtschaften, Reste zu verbrauchen, nicht oder nicht viel wegzuwerfen. Das tun wir jetzt umso intensiver. Aus verschiedenen Resten entstehen schonmal zwei neue Mittagessen. Oder wir puzzeln einfach zusammen, was Tiefkühler und Keller gerade so hergeben. Abwechslung kann Spass machen. Auch wenn sie improvisiert ist. Oder gerade deshalb…

Wir stehen das durch.

Bleibt gesund.

Alles Liebe

Eure Sanny