Um die Wartezeit, während des LRS- Testes unseres Kindes 3 zu überbrücken, habe ich mir ein paar Zeitschriften aus dem Wartezimmer geschnappt. Eigentlich wollte ich die Zeit sinnvoll mit Schreiben verbringen. Allerdings habe ich in der allgemeinen morgendlichen Hektik sämtliche Stifte Zuhause vergessen. Im Wartezimmer war keiner aufzufinden. Der Stift im Handschuhfach meines Autos dank der Nichtbenutzung längst eingetrocknet. Klar, ich hatte das Handy dabei. Allerdings widerstrebt es mir, in einem vollbesetzten Wartezimmer permanent darauf herumzutippen. Also habe ich die Zeit – urlaubsgleich mit Lesen verbracht. Und gelesen habe ich viel. 2 Stunden mit der Klatsch- und Tratschpresse können doch erstaunlich lang werden!

Fest gelesen habe ich mich an einem 4 – Seiten langen Report über das schwere Los Alleinerziehender. Da wird in aller Ausführlichkeit der flüchtende Partner verteufelt, mehr finanzielle Unterstützung und Steuermäßigung gefordert. Mir hat dieser Report nur eins gebracht: einen deutlich angestiegenen Blutdruck. Ich habs nicht mit Klischees. Und nein, ich will weder andeuten noch ausdrücken, dass Alleinerziehende es nicht schwer haben oder womöglich sogar selbst Schuld an ihrer Situation tragen. Sondern lediglich, dass man die Lage eben nicht so klischeehaft sehen darf. Der Fokus ist entscheidend.

Ich bin nicht Alleinerziehend. Vor Gott und der Welt habe ich einen Mann, der mit mir und unseren Kindern zusammenlebt und damit als Hilfe zur Verfügung steht. Soweit zum Klischee. Denn praktisch ist die Lage auch bei uns nicht so einfach zu kategorisieren. Mein Mann und ich, wir nennen 4 Kinder, ein Haus mit Garten und 2 Katzen unser eigen. Wir haben beide Vollzeitjobs. Für ihn heißt das : Er verlässt 5.30 Uhr die heiligen Hallen und kehrt gegen 18.30 Uhr zurück. Manchmal später, selten früher. Manchmal steht Montage an, die in Tage bzw. wochenlang von Zuhause fernhält. Manchmal sind die Baustellen direkt vor der Tür. Leider deutlich zu selten. Den ein Arbeitsweg von 120km (einfache Strecke) ist für ihn Alltag. Für mich, und den Rest der Familie, heißt das, unser Leben drumherum zu bauen. Unsere Kinder sind inzwischen 15,13,11 und 8 Jahre alt. Recht pflegeleichte Altersstufen. Theoretisch.

Ich bringe die die Kids morgens zu Fuß zum Bus. Nicht aus Kontrollzwang, sondern weil die Jüngste sich dies wünscht. Eine Bitte die keinen Cent, nur ein paar Minuten Zeit kostet und daher uneingeschränkt erfüllt werden darf. Anschließend vereinnahmt mich mein Homeoffice. Denn, wie bei allen Selbstständigen: wer nicht arbeitet, verdient nichts. Bis 13.30 Uhr. Dann heisst es, Stift fallen lassen und schleunigst das Kind vom Bus einsammeln. Verkehrsbedingt gibt es momentan keine andere Lösung. es ist einfach zuviel an Autos und LKWs.

Hausaufgaben sind unterschiedlich beliebte Themen. Der Grosse hat nie Hausaufgaben und der Kleine diskutiert sie weg. Die beiden Mädels machen Hausaufgaben ohne zu murren. Die Jüngste besteht darauf ihre Aufgaben direkt nach der Schule zu erledigen. Wochentagunabhängig. Habe ich andere Pläne, habe ich ein ziemlich zickiges und mitunter Krokodilstränenverdrückendes Kind. Im Übrigen ist sie in dieser Haltung ausgesprochen konsequent… vor ein paar Wochen starteten wir mit Tränen direkt von der Bushaltestelle ins Autohaus und kamen da immer noch mit Tränen an… 45km später. Ich weiss ehrlich nicht, was bei dem Kind falsch gelaufen ist. 🙂 Jedenfalls erspart mir diese Haltung lange Diskussionen darum, ob Haushaufgaben zu machen sind und wann. Ich erhalte mir im Moment meine Naivität zu hoffen, das dies durch die gesamte Schulzeit so anhalten wird.

Wer Kinder hat, weiss, mit den Hausaufgaben ist es meistens nicht getan. Wer besondere Kinder hat, wie unser Kind 3, der weiss noch besser, wieviel Arbeit und Zeit in den ständigen Übungen und Wiederholungen stecken. Ich nutze hierfür gern die Zeit, in der die beiden Grossen noch nicht da sind. Sie finden irgendwann von allein den Weg nach Hause. Und dann wird es laut. Kinder haben viel zu erzählen. Vier Kinder haben noch viel mehr zu erzählen.

Der Nachmittag gehört meinen Zwergen. Relativ uneingeschränkt. Denn so ein Nachmittag ist doch recht kurz. Für uns endet er 17:45 Uhr, dann verrichtet der Tischdeckdienst sein Werk. 18.00 Uhr ist Abendessen. Anwesenheitspflicht für alle. Befinden sich nachmittags Freunde im Haus, essen die entweder mit oder sind um die Zeit auf dem Weg nach Hause. Denn 18.30 Uhr beginnt meine zweite Arbeitsschicht.

Klingt gar nicht so kompliziert. Denkfehler. Montag hat der Grosse Karate, Dienstag die zwei Kleinen Christenlehre, Mittwoch der Grosse Konfirmandenunterricht und die beiden Mädchen Funkengardetanztraining. Für mich heisst das: jederzeit abrufbarer Hol- und Bringdienst.

 

Das sich nebenbei noch ein Haushalt und diverse Einkäufe erledigen müssen, Elternabende, Spielnachmittage oder irgendwas in der Art anstehen… das erwähne ich jetzt einfach nicht.

Auf was ich hinaus will? Ich bin nicht alleinerziehend, aber auch mein Tag ist von 5:45Uhr bis 22:00 Uhr durchgetimet und verplant und voll. Es macht hier gar keinen Unterschied, ob ich einen Partner habe oder nicht. Ich muss den Alltag auch alleine wuppen. Klar, die finanzielle Seite ist eine andere, wir verdienen beide. Aber lässt man das mal ausser Acht, ist es doch viel viel wichtiger Freiraum zu schaffen. Persönliche Entlastungen. Und die müssen nicht mal Geld kosten.

Was es mir einfacher macht: die Fahrgemeinschaft zum Karate oder zur Christenlehre. Unsere Kinder sind nicht die Einzigen die dahin gehen. Man kann sich den Hol- und Bringdienst durchaus teilen. Das verschafft einem nicht nur Zeit, ist okölogisch ziemlich gut (wenn man denn aufs Auto angewiesen ist) und bringt einem auch noch den einen oder anderen netten Kontakt. Und die Erkenntnis, das es in so ziemlich allen Familien so läuft. Das Stress ein ziemlich verbreitetes Phänomen ist. Das man gar nicht so allein ist mit seinen Sorgen und seiner Überlastung. Das man sich gegenseitig helfen kann. Nicht nur an diesen Tagen.

Sicher könnte man hier jetzt einen Aufruf schreiben. Denn für gewöhnlich hat ein Kind ja zwei Elternteile, die sollen sich doch auch bitte kümmern und sich natürlich auch noch verstehen, ergänzen und unterstützen. Denn egal wie schmutzig der Trennungskrieg auch war, hier geht es um das Kind. Mal ehrlich, das ist doch ausgemachter Blödsinn. Wir sind alle Menschen. Und Hand auf das Herz, jeder von uns hat irgendwo einen Ex- Partner, dem er, vielleicht nicht direkt die Pest, aber doch die ein oder andere nette Bazille nur zu gerne in den Hals wünschen würde. Das ist menschlich! Und solange man es nicht in die Praxis umsetzt (das mit der Pest und den Bazillen) auch noch okay.

Problematisch ist doch nicht, dass getrennte Partner sich nicht mehr gemeinsam um das Kind kümmern können oder wollen, denn auch bei mir (mit funktionierender Partnerschaft) liegt die Last des Alltags fast ausschliesslich auf mir. Auch ich kann allein nicht alles bedienen.

Ein soziales Umfeld ist der Schlüssel. Kontakte. Freundschaften. Oder auch nur Interessensgemeinschaften. Da bildet man Bring- oder Holgemeinschaften zur Christenlehre oder Fahrgemeinschaften zum Karate. Mein Homeoffice- Job erlaubt sogar die Betreuung anderer Freundeskinder.

Tut Euch zusammen. Redet miteinander: Es funktioniert.

Natürlich sind längere Betreuungszeiten in Kita oder Hort, flexiblere Arbeitszeiten, etc. auch Lösungsansätze. Allerdings vom Einzelnen kaum zu beeinflussen. Ausserdem entstehen hier Kosten, die erstmal wieder verdient werden müssen.

Ein Gespräch mit der Mama, die auch jeden Tag ihre Kids zum Bus bringt oder neben Euch auf der Bank vorm Karatesaal sitzt, kostet hingegen nichts.

Nur ein bisschen Mut…