„Verstummen müssen nunmehr bitter, bang des müden Sommers himmlisch schöne Chöre. Sie sangen viele, viele Wochen lang, sangen allein zu ihres Schöpfers Ehre.“ (aus „September“ von Arne Baier)
Wettertechnisch hatte der September alles zu bieten, was nach diesem grandiosen Sommer noch zu wünschen übrig war. Auch wir haben einige Wünsche erfüllt und landen damit gleich in dem, den Monat beherrschendem Thema. Sehr sehr sehr lange und gefühlt noch länger, liegen uns – vorrangig – die Mädchen in den Ohren, sie möchten einem Hobby nachgehen. Ausser Haus. Nun werden die Meisten wohl sagen: Ja, Kinder sollten das. Und das ist auch richtig. Wer aber, wie wir, mehrere Kinder hat, der weiss: sooo einfach ist das nicht. Sieht man von der Geldfrage mal ab, ist das eine organisatorische Höchstleistung. Denn überblickt man einmal unsere Woche, ist nachmittags nach der Schule schon einiges los. Montags düsen die Kinder 2 und 3 zum Karate. Dienstag haben die Kinder 3 und 4 Christenlehre. Mittwochs geht Kind 2 zum Konfirmandenunterricht, während die Kinder 1 und 4 mit der Funkengarde das Tanzen üben. Freitags stehen unsere Psychologentermine an. Klar, der Donnerstag ist frei. Aber neben Hausaufgaben und Zimmeraufräumen und Co. möchten die Kids natürlich auch gerne mal mit ihren Freunden spielen. Gerade bei den Kindern 3 und 4 wird unser Haus sehr regelmäßig von Freunden und Freundinnen frequentiert. Ausserdem… und wenn man ehrlich zu sich selbst ist… es ist auch mal schön, einen Tag zu haben, an dem man schon morgens weiss: Heute steht mal nix an. Haushalt und der ganze Schnatter macht sich ja auch nicht von alleine. Leider.
Nun sind allerdings unsere Kinder in einem Alter, wo man sie- die meisten zumindest- alleine laufen lassen kann. Die beiden Jungs gehen Montags zum Karate, ohne das ich permanent Bring- und Holdienst sein muss. Die Christenlehre bedienen wir in Absprache mit einer befreundeten Familie wechselseitig. Eine Woche ich, eine Woche du. Das läuft prima. Die beiden Mädels gehen inzwischen auch alleine zum Tanzen. Sofern es nicht gerade gewittert. Auch das passt und nimmt doch einiges an Druck von mir. So konnten wir uns erlauben, den Hobbywünschen nachzugehen. Was wollten die Mädchen? Natürlich reiten. Wir haben uns einige Möglichkeiten angesehen und uns dann für einen Reiterhof ganz in der Nähe entschieden. Einen Termin gemacht und es ging auch direkt los. Kind 3 bekundete spontanes Interesse. Und da das Reiten, sowohl für seine Wirbelsäule als auch für sein ADS, eine gute Therapie sein könnte, waren wir nicht abgeneigt. Schlussendlich fand auch Kind 2 Interesse und Gefallen an den sauberen und sehr gepflegten Pferden. Und bat darum, auch wenns für einen Jungen von 13 Jahren eher uncool ist, mit reiten gehen zu dürfen. Fanden wir so gar nicht uncool. Recht schnell stellte sich jedoch heraus, die Kinder machen besser mit, wenn ich nicht da bin. Wenn sie nicht den Drang haben, mir zu gefallen, sondern sich auf die Reitlehrerin komplett einlassen können. Also bin ich wieder zum Bring- und Holdienst zurückgekehrt. Allerdings mit einer doch gewissen Freiheit zwischen den Fahrten. Für mich, ganz allein.
Ich habe, glaube ich die Preise schon einmal in einem Artikel erwähnt. Und jetzt im Nachhinein haben all die Zweifler und Bedenker natürlich den Mut zu sagen: Ich habs Euch doch gesagt. Denn das Reiten nahm ein abruptes und zumindest für Kind 4 recht schmerzhaftes Ende. Die Kinder bringen, nach dem Unterricht, die Pferde auf die Koppeln. Zumindest solange das Wetter dies zulässt. So auch an diesem Tag. Ich kam an, als die Kids gerade zurückkehrten. Sie warteten auf dem Zugang zum Reiterhof, am Koppelzaun auf die Reitlehrerin. Diese kehrte mit zwei anderen Pferden zurück. Der Eindruck aller Pferde in den angrenzenden Koppeln war sehr durchwachsen. Alle waren aufgeregt, schienen nervös. Eine galoppierten wild über die Koppeln. Vielleicht hätte mir das zu Denken geben sollen. Vielleicht hätte ich mehr auf die Kinder achten können, sollen, müssen. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Die Kinder standen am Koppelzaun. Unsere auf der einen Seite, die beiden mitreitenden Mädchen auf der anderen Seite. Die Reitlehrerin ging mit den beiden Pferden zwischen den Kindern durch, wandte sich dann einer ihrer Helferinnen auf dem Hof zu und zog die Pferde in diese Richtung. Gesehen habe ich es nicht, eines der beiden Pferde bäumte sich auf und schlug nach hinten aus und traf unsere Jüngste. In den Bauch. Das Erschrecken der Kinder habe ich wohl wahrgenommen. Auch wie unsere Grossen die Kleine aufhoben, die für den Moment keine Luft bekam und danach sofort in Tränen ausbrach. Immer wieder beteuernd es wäre nichts passiert. Ich weiss, dass Unfälle passieren können. Ich weiss, gerade mit so grossen Tieren, dass man achtsam und umsichtig sein muss. Ich weiss auch, das eine 7jährige, die völlig unerfahren im Umgang mit Pferden ist, dies gar nicht überblicken kann. Und ich weiss auch, dass weder die Kinder noch das Pferd hier eine Schuld traf. Was mich aber wirklich wütend machte, war die Reaktion der Reitlehrerin. Anstatt dem Kind zu helfen, schrie sie sie an. Sie habe ihr tausendmal gesagt, sie solle nicht hinter ein Pferd gehen. Abgesehen davon, dass sie nicht hinter das Pferd gegangen sind, wäre hier eine andere Reaktion angebracht gewesen. Sie hat sich null um die Kurze gekümmert. Als ich sie ins Auto geladen habe, meinte sie von weitem „Na scheint ja nicht so schlimm zu sein. Wenns schlimmer wird müsst Ihr halt in die Notaufnahme.“ Unsere beiden Jungs standen relativ geschockt daneben. Zu diesen kommentiere sie: „Los, ab ins Auto und Tschüss.“ 🙁 Unfassbar. Wir sind natürlich direkt in die Notaufnahme. Ein Tritt in den Bauch. Ich kann in das Kind nicht reinsehen. Aber auch ohne medizinische Kenntnisse weiss ich, dass das abgeklärt werden muss. Der Ultraschall ergab nichts. Da das nächste Krankenhaus aber keine eigene Kinderstation hat, hat man sicherheitshalber in Chemnitz angerufen. Und die Aussage war deutlich. Pferdetritte sind immer gefährlich. Herkommen und hierbleiben. Nun war die Panik unter den Kindern entsprechend. Die Kurze, ausgerechnet meine Kleine, die sich nichtmal für Oma und Opa und Ferien von mir trennen kann, sollte ins Krankenhaus. Wir kannten die Station noch von dem Aufenthalt unserer Grossen. Und wussten im Vorfeld, keiner von uns kann dann da bleiben. Entsprechend war die Stimmung. Die Kleine nur am Weinen und völlig verzweifelt immer wieder betonen es wäre doch nichts. Dabei reichte der Gips, wegen des gebrochenen Ellenbogens, von den Fingern bis unter die Achsel. Das hatte ich gar nicht auf dem Plan. Ich habe wohl gesehen, das der Ellbogen blutete, aufgeschürft war. Aber den Bruch habe ich so nicht gecheckt. Unser besonderes Kind reagierte auch besonders sensibel. Völlig aufgelöst am Schluchzen, er wolle nicht das seine Schwester stirbt. Unmöglich zu beruhigen. Ich gebe zu, auch mir ist es schwer gefallen, die Fassung zu wahren. Die Tränen kamen mir erst, als wir losgefahren sind und meine Grosse nicht mehr konnte und leise vor sich hinweinte. 🙁 Schlussendlich kam es wie es kommen musste. Von Donnerstag bis Montag waren wir zu Gast im Klinikum Chemnitz.
Auch hier hat der Ultraschall nichts ergeben. Aber die Bluttests waren auffällig. Zudem Blut im Urin. Es war auf jeden Fall sicherer. Auch wenn mich alleine der Umstand mein Nesthäkchen alleine lassen zu müssen, mehr als eine Träne und auch mehr als eine schlaflose Nacht gekostet hat.
Am Samstag Morgen stand dann endlich fest, dass sich die Werte erholen und eine operative Versorgung nicht nötig ist. So durfte sie Samstag dann auch langsam wieder anfangen zu essen. Montag morgen durften wir nach Hause. Ein unschönes Kapitel glimpflich abgeschlossen. Zumindest zum Grossteil. Der Gipsarm blieb ihr ja noch eine Weile erhalten.
Was aus dem Reiten gehen wollen werden wird, ist derzeit unklar. Im Moment kann sie nicht. Ihre Geschwister haben einstimmig beschlossen, erst wieder reiten zu gehen, wenn auch die Kleine mit kann. Bzw. für Kind 3 sitzt der Schock derzeit noch so tief, dass er nichts mehr mit Pferden zu tun haben will. Definitiv werden wir nicht wieder zu dieser Reitlehrerin gehen. Was weniger an dem Unfall an sich lag. Denn Unfälle passieren. Auch bei aller Achtsamkeit. So ist es hier die Reaktion die mich abhält. Schlussendlich überlasse ich ihr meine Kinder. Und wenn dann mal etwas passiert, dann möchte ich wissen, dass sie in guten Händen sind und getan wird, was getan werden muss. Dieses Vertrauen ist leider kaputt. Es gab ihrerseits keinerlei Nachfrage, wie es der Kurzen geht. Lediglich die erstaunte Frage ob wir denn nicht zum Reiten kommen. Im Nachgang, in unzähligen Gesprächen mit den Kindern, mit den Freunden, die auch reiten haben sich viele Ungereimtheiten ergeben. Die Kinder wissen, dass Sie nicht hinter einem Pferd entlang gehen sollen. Nur leider nicht von der Reitlehrerin. Denn eine wirkliche Schulung oder Einweisung gab es nicht. Okay, vielleicht sollten diese Informationen so nach und nach kommen. Jeder Lehrer ist anders und macht sein eigenes „Ding“. Im Nachgang betrachtet lief hier mehr falsch. Denn selbst ich habe gesehen, dass beispielsweise zum Putzen, die Pferde in der Boxengasse standen. Eng aneinander und in einer Gasse, in der das Hofquad noch geparkt war. Zum Durchgehen musste man hinter den Pferden durchgehen. In direktem Körperkontakt. Und das war genau das, was sie den Kindern jedesmal vorgemacht hat. Und als Jemand im Umgang mit Kindern sollte man wissen, dass hier ein Abschau- und Nachmacheffekt eintritt. Auch wenn das nicht zu unserem Unfall führt oder nichts geändert hätte, baut das mein Vertrauen nicht wieder auf. Wir haben uns inzwischen einem anderen Reitstall zugewandt. In diesem haben die Kids die Möglichkeit die Schulpferde kennen zu lernen. Die ganzen theoretischen Handlungen kennen zu lernen. Putzen, zäumen, satteln und Co und dann, wenn wieder Vertrauen zu den Pferden da ist und auch die Liebe zu diesen wunderschönen stolzen Tieren wieder aufflammt, dann können sie wieder reiten. Sofern sie wollen. 🙂